Medien. Und Werbung.

Wir lesen seit Jahren in den meinungsbildenden Medien, dass das Internet (eigentlich meinen sie das „Web“ und nicht „Internet“, aber das ist ein anderer und vor allem verlorener Kampf) ein schwieriges Umfeld sei, mit seiner Kostenlos-Kultur.

Die meinungsbildenden Medien, das sind immer noch klassische Titel wie Zeit, FAZ, Süddeutsche, Spiegel. Nur selten tauchen im Ranking originär aus dem Web stammende Titel, Blogs oder deren Autoren auf. In einer kurzgesprungenen Replik könnte man der Wehleidigkeit der Papiermedien ob des schwierigen Umfelds natürlich antworten „hey, ihr wolltet unbedingt hier sein, dann findet euren Platz!“.

Eine realistischere Sicht wäre den Medien bei aller Kritik an journalistischer Qualität oder anderen Dingen, die einem schon immer nicht gefallen haben, zuzugestehen, dass Artikel zu schreiben und zu publizieren Arbeit macht. Und dass irgendjemand davon leben will. Die Lösung seit langer Zeit dafür ist Werbung. Wer eine Zeitung kauft, der bezahlt nur einen kleinen Teil direkt mit Geld, der Rest wird durch Werbung finanziert. Die naheliegende Methode auch im Web mit Artikeln Geld zu verdienen ist also Werbung.

Um den Gedanken zu Ende zu führen, muss ich umschalten und zurückspringen. Ich las auf Google+ einen kurzen Beitrag von MG Siegler, der im wesentlichen nur auf einen Artikel in seinem Blog verwies. Ich las ihn (er handelte von einer Werbekampagne von Apple in meinungsbildenden Medien …), und folgte seinem Verweis auf einen Forbes-Artikel. Teil der meinungsbildenden Medien. Die Forbes-Seite erschien, mit einem Slogan von Forbes oben links, viel freier Fläche, und einer zentral platzierten Werbung:

Forbes-Werbung

Sie können sich vorstellen wie sehr mich diese Werbung angesprochen hat. Ich bin jetzt noch fast zu Tränen gerührt. Ein roter Knopf mit „Nein“, ein grüner mit „Ja“, die aufrüttelnde Überschrift „Goldhandel Online“ und diese Frage – nein, die Frage überhaupt: „Steigt der Goldpreis?“. Dabei hüpfen die zwei Knöpfe rhythmisch hin und her. Diese Eleganz, diese reduzierte Schlichtheit.

Mir war sofort klar, dass Forbes sicher kein Geld für diese Goldhandel-Online-Werbung erhält, sondern ein Vermögen ausgegeben hat für die Rechte diese Werbung zeigen zu dürfen. Dieses Abstrahlen des Images, das sich daraus ergeben würde! Neue Abonnenten! Glaubwürdigkeit! Unglaublich. Und alles auf so kleiner Fläche. Kein Wunder, dass Forbes sie zentral anstelle des von mir eigentlich erwarteten Artikel positioniert. Mit Weißraum drumherum. Nichts sollte ablenken. Die „Message“ war klar in mein Gehirn gebrannt.

Nur mühsam konnte ich mich aufraffen oben rechts „Continue to site“ zu lesen. Warum eigentlich? Was wollte ich hier? Mein Muskelgedächtnis überlistete das Bewusstsein, ich klickte. Und landete auf einem Artikel. Ach ja, richtig. Ich wurde ja auf Google+ darauf hingewiesen, dass es bei Forbes einen interessanten Artikel gäbe. Deswegen war ich ursprünglich mal hierher gekommen. Jemand anders, einer dieser Blogger, hatte kostenlose Werbung für Forbes gemacht und ihnen einen neuen Leser gebracht: mich.

Kennen Sie diese lustigen Bildrätsel, die manchmal in Zeitschriften im Rätselteil abgedruckt werden? Die, bei denen man kleine Unterschiede zwischen zwei auf den ersten Blick gleich aussehenden Bildern finden muss, etwa ein fallendes Blatt? Oder die, bei denen man in einem Wuselbild eine kleine Figur finden muss, quasi den Gekko auf dem Baum im Wald entdecken?

Nun, ich war mir sofort sicher: bei der Seite, die mich anblickte, musste es sich um diesen Rätselteil von Forbes handeln:

Forbes-Bildrätsel
(Bild zum Spiel „Such den Artikeltext“)

Aber ich will nicht lange auf die Folter spannen und daher eine Hilfe einstreuen:

Forbes-Bilderrätsel Lösung

Sehen Sie es? Da ist der Artikel. Das, was ich lesen wollte. Also zumindest der Anfang davon. Wofür der Blogger kostenlos Werbung für Forbes machte. Der ich sogar folgte. Bis hierhin.

Wir schalten wieder um.

Können die von Forbes, stellvertretend für die meinungsbildenden Medien, wirklich der Meinung sein man könne so ein Medium ernstnehmen? Eines das sich unseriöser präsentiert als die kostenlosen Werbe-Wurf-„Zeitungen“, die hier sonntags ungefragt bei mir im Briefkasten liegen?

Da konnte das Tüpfelchen auf dem „i“ mich dann auch nicht weiter deprimieren: dass der Artikel, der über eine Werbekampagne von Apple schreibt, mir genau diese Werbungkampagne per Video-Einbettung zeigen will. Was hier dann so aussieht:

Forbes Video-Einbettung

Zitat: „Dieses Video enthält Content von FOX. Dieser Partner hat das Video aus urheberrechtlichen Gründen gesperrt“.

Also, nochmals langsam: ich wurde per Empfehlung zu Forbes geschickt, um einen Artikel über Apples Werbekampagnen zu lesen. Der Weg dahin ist steinig und mit viel schlechter Werbung gepflastert. Wenn ich nun aber die Essenz des Artikels betrachten will, eben die Werbekampagne von Apple, dann darf ich das aus „urheberrechtlichen Gründen“ nicht.

Sind die noch ganz bei Trost?

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